Warum die Angst vor Gott (in Europa)?

IHL veranstaltete Symposium zum Thema „Europa, wie hältst du’s mit der Religion? Zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft“

BAD LIEBENZELL. Beim vierten IHL-Symposium am Freitag und Samstag, den 27. und 28. April 2018, unter dem Titel „Europa, wie hältst du’s mit der Religion? Zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft“ kamen 12 fachkundige Referentinnen und Referenten unterschiedlicher Konfessionen an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL) zusammen, um das Thema theologisch, historisch und religionsphilosophisch zu betrachten. Das Symposium wurde auch in diesem Jahr wieder vom LIMRIS-Institut der IHL veranstaltet und fand in den Räumlichkeiten der Liebenzeller Mission statt.

Einer der Höhepunkte des Symposiums war der öffentliche Vortrag von Prof. em. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz am Freitagabend, zu dem neben den 100 angemeldeten Konferenzteilnehmern noch viele interessierte Gäste in den Veranstaltungssaal des Missions- und Schulungszentrum kamen. Die Religionsphilosophin, welche das Europäische Institut für Philosophie und Religion (EUPHRat) an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz bei Wien leitet und Mitglied des Hochschulrates der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ist, sprach zum Thema „Woher die Angst vor Gott (in Europa)“.

Im ersten Teil ihres Vortrages verschaffte Gerl-Falkovitz dem Publikum zunächst einen Überblick über die aktuelle Situation in Europa: Die heutige Generation lebe in einer „Gott-neutralen Lebenswelt“, gleichzeitig wuchere aber auch eine postsäkulare Spiritualität, welche Gott nicht mehr zwanghaft für Religion brauche. Gott sei in der Gesellschaft nicht ganz verschwunden, habe aber eine Entstaltung erfahren, so Gerl-Falkovitz. Transpersonale Begriffe wie „das Göttliche“ oder „die Gottheit“ würden heute häufiger gebraucht, da Gott als Subjekt nicht mehr tragbar sei.

Zwei mögliche Antworten auf die Frage „Warum die Angst vor Gott (in Europa)?“ beschrieb Prof. em. Dr. Gerl-Falkovitz im weiteren Verlauf ihres Vortrags. Zum einen würden archaische Ängste vor zwielichtigen und dämonisch-göttlichen Mächten, welche die Grundlage der meisten Religionen bildeten, fälschlicherweise auch auf den biblischen Gott projiziert. Zum anderen wäre es die „Autonomie der Neuzeit“ (der Mensch, der auf sich selbst gestellt sei und Angst vor einer starken Beziehung habe), in welcher Europa begründet sei. Gerl-Falkovitz schloss ihren Vortrag mit der Erkenntnis, dass eine Rückführung in eine Beziehung zu Gott – was so viel bedeutete wie, auf den zu sehen, der einen schon immer ansieht – die Lösung dieser Angst sein könnte. Diese Beziehung sei eine, in der wir nicht untergehen würden. „Gott ist nicht der Vernichter der Identität, er ist der Vollender.“

Ihr Vortrag begeisterte das Publikum, was durch großen Beifall und viele interessante Rückfragen im Anschluss zum Ausdruck kam. Als Moderator des Abends war auch Pfr. Prof. Dr. Volker Gäckle fast schon ein wenig „benommen“, wie er nach dem Vortrag von Gerl-Falkovitz kommentierte. Der Rektor und Professor für Neues Testament an der IHL meinte, er hätte in der Vergangenheit schon sehr viele Vorträge gehört, aber noch selten einen, der ihn so mitgenommen habe.

Seit der Gründung der IHL 2011 fand das IHL-Symposium bereits zum vierten Mal statt. 2013 veranstaltete die IHL schon ein Symposium zum Thema: „Paradigmenwechsel in der Weltmission“, 2015 zum Thema „Globale seelische Gesundheit und die Kirche“ und 2016 zum Thema „Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und christlicher Glaube“. Ein Tagungsband wird wieder im Anschluss an das diesjährige Symposium herausgegeben werden, über den die IHL separat informieren wird.

Weitere Informationen über das Symposium können auf der Konferenz-Websiteeingesehen werden. Dort sind das Programm sowie Kurz-Vitas der Referentinnen und Referenten eingestellt. Den öffentlichen Freitagabend-Vortrag von Prof. em. Dr. Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz finden Sie auf der Seite Audiomitschnitte zum Nachhören.